MONUMENT FÜR DIE OPFER DER HEXENVERFOLGUNG IM LAVANTTAL
von Adina Camhy
Koordinaten Gedenktafel: 46.951834856530105, 14.809237918514226
Quellenwanderweg Q3, zwischen Auenweg und Steinbruchweg,
Bad Sankt Leonhard im Lavanttal, Kärnten/Koroška

Im Jahr 1493 verurteilte das Landgericht St. Leonhard Cristina Trünkhlin, Barbara Ößlin und Wolfin als Hexen. Laut der Urgicht, dem unter Folter erpressten „Geständnis“ vom 21. März 1493, sollen die drei Frauen Schadenzauber gegen den Burgherrn Wolfgang von Pain angewandt haben. Der Prozess gilt als der erste im Raum Österreich, bei dem der Vorwurf des „Teufelspakts“ zu Hinrichtungen führte. Infolge des Prozesses wurden weitere Personen der Hexerei bezichtigt – die genaue Opferzahl ist unbekannt.
Im heutigen Bad St. Leonhard im Lavanttal wurde nun ein Erinnerungszeichen realisiert, das jener drei Frauen und aller Opfer der Hexenverfolgung im Lavanttal erinnert. Während in der ersten Phase der Lavanttaler Hexenprozesse meist sesshafte Frauen verfolgt wurden, rückten ab 1650 zunehmend Männer, vor allem Vaganten ohne festen Wohnsitz, ins Visier – sie galten als Bedrohung der sozialen Ordnung.

Ausschnitt aus der Urgicht 1493 (unter Folter erstelltes Einvernahmeprotokoll)
Das Monument bezieht sich auf eine Passage aus der Urgicht von 1493: „Da sie nu beieinander gew[esen] sein, da sind sie überains worden […]“. Die ursprünglich gegen die drei Frauen gerichteten Worte, die der damaligen Rechtssprechung dazu dienen sollten, den Vorwurf des „Teufelspakts“ zu untermauern, werden umgedeutet und ins Heute übertragen:
„UEBERAINS WERDEN“ verweist auf solidarische Beziehungen und kann als „zusammenkommen“ oder „mehr als eine:r werden“ interpretiert werden. Die Worte können als Aufruf verstanden werden, heute wachsam zu sein gegenüber Mechanismen der Ausgrenzung, der Konstruktion von Sündenböcken und Formen geschlechtsspezifischer Gewalt.
„UEBERAINS WERDEN“ wird als Schriftzug südlich von Bad St. Leonhard im Lavanttal auf einer abschüssigen Weide sichtbar sein, die sich unweit der historischen Hinrichtungsstätte des Landgerichts befindet. Die ca. zwanzig Meter hohen Buchstaben werden beim Mähen ausgespart und sind je nach Zeitpunkt der Mahd, Tageszeit und Bewuchs unterschiedlich gut lesbar.

Illustration des Erinnerungszeichens (Adina Camhy)
Das Belassen eines ungemähten Streifens verweist auf den Feldrain – ein mit Wiesen, Bäumen oder Hecken bewachsener Streifen zwischen Feldern bzw. entlang von Grundstücksgrenzen. Hecke bzw. Einfriedung findet sich auch als „hag“ in „Hagzissa“ (althochdeutsch: Zaunreiterin) wieder, von dem sich das Wort „Hexe“ ableitet Neben etymologischen Bezügen bietet die Hecke bzw. der verwandte Feldrain auch historische Bezugspunkte. So gibt es Berichte über Frauen, die 15.-17. Jhdt in England nachts Hecken ausrissen, um gegen die Privatisierung der Commons (gemeinschaftlich genutzte Flächen) zu protestieren. Dies veranschaulicht die Zusammenhänge von Kämpfen um selbstbestimmtes Wissen, Körper sowie Grund und Boden (vgl. Silvia Federici, Rita Laura Segato).
Damit der Schriftzug lesbar bleibt, muss die Weide wieder und wieder gemäht werden – so ist dem ephemeren Monument das kontinuierliche Sorgetragen (Care) immanent – das Mähen des Schriftzugs wird zu einer unaufhörlichen Erinnerungsarbeit.
Das temporäre Monument befindet sich nahe des Wanderwegs Q3 (Knappenbründlweg), wo eine Gedenktafel angebracht wird. Am Samstag, 18. Oktober fand vor Ort eine öffentliche Gedenkveranstaltung statt. Das Projekt wurde durch die freie Kulturinitiative Container 25 im Rahmen des Projekts „Nullpunkte der Gewalt im Lavanttal“ initiiert und von Adina Camhy konzipiert. Die Realisierung wird von der Gemeinde Bad St. Leonhard und dem Land Kärnten unterstützt.
ZUR KÜNSTLERIN
Adina Camhy studierte Architektur an der TU Graz und belegt aktuell den Master Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ihre recherchenbasierten multimedialen Arbeiten werden im öffentlichen Raum, in Schwimmbädern oder Kaffeehäusern ebenso gezeigt wie auf Filmfestivals, in Kinos und Ausstellungen im In- und Ausland. Camhy interessiert sich für die drängenden Fragen unserer Zeit, für Technologie, Geschichte und Erinnerung, für Peripherien und Blicke unter Oberflächen. Sie erhielt Stipendien, Förderungen und Preise, wie zuletzt das Arbeitsstipendium für Bildende Kunst der Stadt Graz (2025). Für die Umsetzung des Monuments für die Opfer der Hexenverfolgung im Lavanttal erhielt sie das Jahresstipendium des Landes Kärnten für spartenübergreifende Kunstformen (2023).

Adina Camhy (Foto: Clara Wildberger)
Weitere Infos unter: https://adinacamhy.at/news/portfolio/monument-to-the-victims-of-witch-hunts/
Pressespiegel:
„Gedenkstätte für verurteilte ,Hexen’“, (Herbert Hollauf), Kleine Zeitung, 22.10.2025
“UEBERAINS WERDEN“, (Th. Probst), Leonharder Blogspot, 22.10.2025
“»Ueberains werden«: Gedenkveranstaltung für die Opfer der Hexenverfolgung im Lavanttal findet statt”, Unterkärntner Nachrichten, 8.10.2025
„Mahnmal wächst für Opfer der Hexenprozesse“ (Ulrike Greiner), Kleine Zeitung, 20.9.2025
„Kollektives Zusammenkommen“, an.schläge – Das feministische Magazin (Veranstaltungstipps), 01.09.2025
„Monument für die Opfer der Hexenverfolgung im Lavanttal“, Bad St. Leonharder Gemeindenachrichten, Juli 2025
Texte:
Adina Camhy: „Ein Heckenmonument für das Lavanttal“, in: Daniel Gönitzer, Katharina Pressl (Hg.), Nullpunkte der Gewalt, CLIO, Graz 2025
Danke allen Mitwirkenden:
Projektteam „Nullpunkte der Gewalt im Lavanttal“ / Container 25: Daniel Gönitzer, Ingo Gönitzer, Robin Hauser, Ines Mottnik, Elisabeth Pressl, Katharina Pressl, Marlene Radl, Alina Volk, Christof Volk, Sunita Volk
Biogemüse aus dem Lavanttal: Michaela Kois und Johannes Philipps
Vermessungstechnik: Vermessung Simenko
Mäharbeiten: Johann Simenko, Mario Staubmann, Marcel Zarfl
Stahlrahmen Gedenktafel: Paul Lässer
Historische Beratung: Walter Richter, Manuel Swatek
Künstlerische Beratung: Susanna Flock, Robin Klengel, Laura Nitsch
Support: Chrstina Brinkmann, Daniela Camhy, Maria Lisa Pichler, Leonhard Rabensteiner, Christl Steinkellner, Werner M. Thelian, Rosa Wiesauer
Fotodokumentation: Tom Biela
Support Video: Mario Zaunschirm
Musik bei der Eröffnung: Christian Minibek (Carinthian Pipes)
Texte: Adina Camhy, Daniel Gönitzer, Katharina Pressl, Christof Volk
Lektorat: Katrin Scheiblhofer
Grafikdesign: Futur Perfekt Studio
Risografie/Druck: Replikat Press
Gemeinde Bad St. Leonhard: Dieter Dohr, Gabriele Moitzi, Alexander Pichler, Günther Trippolt
Land Kärnten/Koroška: Peter Kaiser, Andrea Kirchmeir, Sonja Somma
Konzept und Realisierung: Adina Camhy
Initiiert durch: freie Kulturinitiative Container 25 im Rahmen von „Nullpunkte der Gewalt im Lavanttal“
Unterstützt durch: Gemeinde Bad St. Leonhard
Gefördert durch: Land Kärnten Kultur


