KiB Bleiburg: Der Bogen meiner Brauen ist kein Weg

18.03.2017

Der Bogen meiner Brauen ist kein Weg
Solostück für eine Schauspielerin

Hertha Kräftner war eine Schriftstellerin, deren Werk sich erst allmählich einem Leserkreis erschloss, sie blieb draußen, auch wenn sie Teil der Wiener Literaturszene der Nachkriegszeit war. Wer über sie spricht kommt nicht umhin, ihr Werk vom Ende her, dem Tod, zu bedenken. Geboren am 26. April 1928, gestorben am 13. November 1951, 23-jährig an einer Überdosis Veronal. Heute gilt sie als Inbegriff dessen, was Österreichische Literatur nach 1945 bedeutete.
Die Texte, im Besonderen ihre Prosatexte, wirken wie Fragmente, bekannt wurde sie vor allem durch ihre Gedichte. Ihr Name wird oft im Zusammenhang mit dem Surrealismus genannt, der in der Nachkriegszeit nochmals erblühte. Hertha Kräftner hat gezeigt, dass eine Betrachtung der Realität durch eine surrealistisch geschärfte Brille möglich ist, wodurch Details in ihren Texten umso markanter und erkennbarer hervortreten.
Es ist ungerecht, ihr Werk auf den Freitod festzulegen, man kann an ihm aber auch nicht vorbeisehen. Die Todesdeterminiertheit, die etwa auch in den Texten Thomas Bernhards sichtbar wird, ist geradezu ein Qualitätsmerkmal, weil das Pathos völlig fehlt. Sie hat sich nicht selbst glorifiziert, sondern bewusst gemacht, wie prekär die Situation jener war und immer noch ist, die versuchen, durch ihre schriftstellerische Existenz das Leben auszuleuchten.
Ö1 Bericht vom 18.08.2006

Abends

Er schlug nach ihr. Da wurde ihr Gesicht
sehr schmal und farblos wie erstarrter Brei.
Er hätte gern ihr Hirn gesehen. – Das Licht
blieb grell. Ein Hund lief draußen laut vorbei.

Sie dachte nicht an Schuld und Schmerz und nicht
an die Verzeihung. Sie dachte keine Klage.
Sie fühlte nur den Schlag vom nächsten Tage
voraus. Und sie begriff auch diesen nicht.

20.03.1949

Darstellerin: Johanna Hainz

Die gebürtige Bleiburgerin Johanna Hainz absolvierte die Schauspielschule Elfriede Ott in Wien, Abschluss im Juni 2016. Sie wirkte im Rahmen der Bleiburger Theatertage bereits bei einigen zentralen Eigenproduktionen der KIB mit: Geschlossene Gesellschaft – von J. P. Sartre (2012), Draußen vor der Tür – von Wolfgang Borchert (2013), Wir verkaufen immer – von Robert Woelfl (2014), Zornige Lieder – Singen, was zu sagen ist (2015)

Kontrabass: Stefan Thaler

Studierte Kontrabass am Klagenfurter Landeskonservatorium sowie Arrangement und Kontrabass am Royal Conservatory The Hague bei namhaften Lehrern wie Hein van de Geyn oder Frans van der Hoeven. Seit 2000 arbeitet er als freischaffender Musiker, Komponist und Produzent in Wien. Im Zuge seiner Karriere gewann er mit diversen Bands zahlreiche Wettbewerbe. Musikalische Mitwirkung bei den Bleiburger Theatertagen bei Au Du mein Ö! (2011), Draußen vor der Tür – von Wolfgang Borchert (2013), Sorbisches Requiem (2014), Zornige Lieder – Singen, was zu sagen ist (2015)

Violine: Bernie Mallinger

Bernie Mallinger studierte Violine an der Kunst-Universität Graz und reiste nach seinem Abschluss in die USA, wo er u.a. Workshops an der Manhattan School of Music und der Juillard School in New York belegte. Seit 1997 arbeitet Mallinger als freischaffender Musiker, der sich früh für genreübergreifende Sounds interessiert hat. Er hat bei zahlreichen Projekten in den Bereichen Jazz, Folk, Rock, Pop und Neue Musik mitgewirkt, Mitglied des radio.string.quartet.vienna.

Eine Eigenproduktion der Kulturinitiative Bleiburg für die Bleiburger Theatertage 2016

Konzept und Regie Michael Stöckl
Schauspieltraining Stephan Wapenhans
Gesang Reinhard Wulz
Bühnengestaltung Simona Krajger
Licht, Technik Martin Motschnik
Kostüme Helga Hainz

Termine: Samstag 18. und Sonntag 19. März 2017, jeweils 20 Uhr
Spielort: Container 25, Hattendorf 25, 9411 St.Michael bei Wolfsberg
Karten: Vorverkauf 15 € unter 0650/8888340, Abendkasse 17 €

Zum Stück

In Form einer szenischen Collage wird das Werk und das Leben der in Vergessenheit geratenen Österreichischen Schriftstellerin Hertha Kräftner thematisiert. Aus Gedichten, Prosatexten, Tagebuchnotizen und Briefauszügen entsteht ein literarischer Kosmos, in dem nicht bloß ein Leben sichtbar wird, sondern auch die Bedingungen der Nachkriegszeit, vor allem für junge Künstlerinnen und Künstler, die seit jeher Seismographen gesellschaftlicher Entwicklungen waren. Der Blick in diese Vergangenheit schärft auch den Blick auf jene politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die uns gegenwärtig herausfordern.
Es geht in diesem Stück nicht um eine biografische Aufarbeitung, keine Deutung persönlicher und psychischer Befindlichkeiten einer Schriftstellerin. Die Texte mit ihrer immensen literarischen Kraft sprechen für sich selbst. Als Verbindungselemente zwischen den einzelnen Textbildern werden Fragen eingestreut, die aus dem heutigen Blick auf das Werk und die Person Hertha Kräftner entstehen, sowie Zitate anderer Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigt haben.
Musikalische Passagen leuchten die Texte aus, in Liedern treten auch Stimmen in Erscheinung, die das Gesellschaftsbild jener Zeit verdeutlichen. Gemeinsam mit dem Publikum begeben wir uns auf die Erkundung eines literarischen Nachlasses, der erstaunliche Parallelen zwischen der Nachkriegszeit und unserer Gegenwart zu Tage fördert.

„Ich habe den Verdacht, dass in den Menschen Gleichheit ist; dass wir alle Hertha Kräftner verstehen können. Ihr war gegeben, sich ausdrücken zu können. Sie hat pedantisch und schmerzhaft nah an ihrem Leben geschrieben. Wenn wir alle Hertha Kräftner sind, oder ein Teil Hertha Kräftners sind, weil wir Menschen sind, dann muss auch unser Leben seine Schmerzen haben. Vielleicht reden wir nur nicht darüber.“
Katharina Tiwald

“Warum ich schreibe:
Weil die sichtbar gemachten Worte
die Macht haben sollen,
ihren seltsamen Einfluss auf mich zu löschen.”